M. Hengerer u.a. (Hrsg.): Animals and Courts

Cover
Titel
Animals and Courts : Europe, c. 1200–1800.


Herausgeber
Hengerer, Mark [Herausgeber]; Weber, Nadir [Herausgeber]
Erschienen
Berlin 2020: De Gruyter Oldenbourg
Anzahl Seiten
VIII, 434 Seiten
Preis
€ 79.95 (DE) (freier Preis); € 79.95 (AT) (freier Preis)
von
Georg Modestin, Fachschaft Geschichte, Kantonsschule Freudenberg (Zürich)

Der vorliegende Sammelband geht auf eine im Dezember 2016 am Historischen Kolleg in München abgehaltene Tagung zurück. Die insgesamt siebzehn Beiträge, die von einer Einführung seitens der Herausgeber und einem Epilog von Mieke Roscher eingerahmt werden, beleuchten auf vielfältige Weise das Verhältnis zwischen Mensch und Tier im höfischen Umfeld. Die Texte sind in vier Blöcke eingeteilt, deren Titel die sich vielfach überschneidenden thematischen Perspektiven andeuten, die im Band zur Sprache kommen. Im Einzelnen geht es um die Verbreitung («circulation») von Tieren über ihr ursprüngliches Habitat hinaus und die damit geschaffenen Beziehungen zwischen Höfen, um die Rolle des Höflings, die sich in seinem Umgang mit Pferden und Hunden widerspiegelt, um repräsentative Funktionen von Tieren und um mit Tieren verbundene Emotionen.

Den Band eröffnet Thierry Buquet mit seinem Überblick über die Geschichte der Jagd mit abgerichteten Geparden, die ihren Ursprung im Orient hatte und am Osmanischen Hof bis ins 17. Jahrhundert sowie an indischen Fürstenhöfen bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts gepflegt wurde. In Europa wurde auch mit Geparden gejagt, doch blieb diese spezialisierte Technik, in der longue durée betrachtet, vergleichsweise episodisch, bis sie im 17. Jahrhundert ganz ausser Gebrauch kam. Nebst Jagdtechniken zirkulierten vor allem Tiere. Ein in unseren Breitengraden eher wenig bekanntes Beispiel ist der Halsbandfrankolin (Francolinus francolinus), ein ob seines Fleisches hoch geschätzter Vogel, der vor allem im Mittelalter und in der Renaissance im Mittelmeerraum gerne bejagt wurde. Dorthin war er als Beutetier eigens eingeführt worden, sein Ursprungsgebiet ist weiter östlich. Mit dem Ende der höfischen Jagd und der damit verbundenen Schutzmassnahmen (Jagdbann) ist er aus dem westlichen Mittelmeerraum wieder verschwunden, nicht zuletzt auch wegen der Zerstörung seiner Lebensräume. Seinen teilweise im Dunkeln liegenden Verbreitungswegen ist ein Team um Giovanni Forcina unter Einbezug von DNA-Analysetechniken nachgegangen. Zu einem wahren Umschlagplatz von Naturalien entwickelte sich in der Renaissance die portugiesische Haupt- und Hafenstadt Lissabon, über die lebende Tiere und Pflanzen aus portugiesischen Besitzungen in Afrika, Asien und Brasilien nach Europa gelangten. Catarina Simões zeigt in diesem Zusammenhang, wie die portugiesische Krone exotische Tiere als diplomatische Geschenke nutzte, so den berühmten indischen Elefanten Hanno, den Manuel I. im Jahr 1513 Papst Leo X. zukommen liess. Auf Hanno folgte zwei Jahre später ein indisches Nashorn, das auf einem Zwischenhalt in Marseille von König Franz I. bewundert wurde. Das Schiff, auf dem das Nashorn transportiert wurde, erlitt vor Genua Schiffbruch, in dessen Folgen das Tier ertrank und somit Rom nie erreichte. Immerhin wird die Erinnerung daran in Albrecht Dürers berühmten Holzschnitt perpetuiert.

Eine weit häufigere Gabe waren Pferde, die Elena Taddei als wahre «agents of networking» bezeichnet, da sie gezielt zur Beziehungspflege zwischen Höfen eingesetzt wurden. Eines besonders guten Rufes erfreuten sich herzoglichen Gestüte von Ferrara und Mantua, die Hunderte von Pferden beherbergten. Aus ihnen hervorgegangene Tiere wurden gerne genutzt, um nördlich der Alpen gelegene Zuchten zu veredeln. Dabei erforderte der Umgang mit Pferden beträchtliches Fachwissen, grosse Anstrengungen – Taddei erwähnt beispielsweise die mit dem Transfer der kostbaren Tiere über die Alpen verbundenen Herausforderungen – und Investitionen, die in weiteren Beiträgen thematisiert werden. So vermittelt Sarah G. Duncan Einblicke in die italienische Pferdestallarchitektur der Renaissance, während Christian Jaser auf die für die Haltung und den Einsatz von Rennpferden benötigte Logistik eingeht. Das Pferd steht auch im Zentrum der Überlegungen von Mackenzie Cooley zur Reitkunst bzw. dem guten Umgang mit Pferden («horsemanship») an italienischen Renaissance-Höfen: Ein guter Höfling war zugleich ein guter Reiter – eine Verbindung, die auf den Einsatz des Adels auf dem Schlachtfeld zurückgeht, die mit dem Niedergang der schweren Kavallerie aber an Bedeutung verlor. Die Ausbildung von Ross und Reiter für den Kriegseinsatz wich der Manege und der Dressur. Die Spanische Hofreitschule in Wien ist die Erbin dieser Tradition, die über den Hof von Neapel an die Donau ausstrahlte. Im Jahr 1580 errichtete Kaiser Maximilian II. im heute slowenischen Lipizza ein bekanntes Gestüt. Auf eine besondere höfische Verwendung von Pferden macht John Villiers anhand des portugiesischen Exempels aufmerksam, nämlich den Stierkampf, der nicht nur eigens aufgezogene Stiere benötigte, sondern auch trainierte Pferde. Das Reitpferd war das Fortbewegungsmittel des wohlgeborenen Mannes – solange es nicht durch die Kutsche ersetzt wurde. Die Wahl des Gespanns hing dabei vom Stand des Transportierten ab, wie Magdalena Bayreuther am Beispiel der Münchner Residenz im 18. Jahrhundert demonstriert, wobei insbesondere auch kodiert war, wo der Passagier auszusteigen hatte und welche Wegstrecke er zum Schluss noch zu Fuss zurücklegen musste.

Selbstverständlich war auch die Jagd eine hoch ritualisierte Angelegenheit: Julia Weitbrecht spricht in ihrem germanistischen Beitrag damit verbundene Aspekte wie Tierrituale und adelige Selbstdarstellung («self-fashioning») anhand von Gottfried von Strassburgs «Tristan» an. Bei dieser Tätigkeit brauchte es abgefertigte Hunde und einschlägiges Know-how. Wie hoch das eine wie das andere am französischen Hof unter Franz I. geschätzt wurden, ist von Maike Schmidt zu erfahren. Hunde galten (und gelten) als Inbegriff der Treue, was sie als Begleiter des Menschen prädestiniert(e). Ausgesuchte Hunde und auch Pferde wurden, wie Armelle Fémelat vor Augen führt, am Gonzaga-Hof in Mantua bildlich verewigt – ein Phänomen, das eine Entsprechung im Aufkommen von individualisierten Menschenporträts in der Renaissance hatte. Andreas Erb beschreibt die von beteuerter Freundschaft und sozialem Gefälle geprägte Beziehung zwischen der Prinzessen Louise von Anhalt-Dessau und dem Dichter Friedrich Matthisson an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Als Bindeglied fungierte der Spitz Triton, der von beiden umsorgt wurde. Gerade bei Frauen am Hof erfreuten sich Haustiere, so Katharine Mac-Donogh, einer besonderen Beliebtheit, so auch das heute aus der Mode gekommene Eichhörnchen, das, wie Maria Aresin erklärt, durchaus als Sexualsymbol gedeutet werden konnte.

Dass die Haltung exotischer Tiere durchaus nicht immer den Erwartungen entsprach, macht Fabian Persson am Beispiel des schwedischen Hofes deutlich: Erwähnt sei hier nur der bei der Plünderung von Prag durch schwedische Truppen im Jahr 1648 aus der kaiserlichen Menagerie in den Norden entführte Löwe, dem so gar nicht zum Schaukampf mit einem Ochsen und einem Bären zumute war. Zum Abschluss führt der Weg nochmals an den Hof der Gonzage nach Mantua und dann auch weiter, wenn Fabian Jonietz die Thematik der Tier-Memoria anspricht, die sich in Bildnissen, Gedenktafeln und Denkmälern niederschlug. Der ausgiebig bebilderte, sehr lesenswerte Band, der durch mehrere Register erschlossen ist, thematisiert einen ganzen Strauss an Tier-Mensch-Beziehungen, die viel über den Zustand des jeweiligen Gesellschaftssegments verraten. Der Akzent auf das höfische Leben bringt es mit sich, dass in erster Linie Pferde und – wenn auch in geringerem Mass – Hunde im Zentrum der Betrachtungen stehen.

Zitierweise:
Modestin, Georg: Rezension zu: Hengerer, Mark; Weber, Nadir (Hg.): Animals and Courts. Europe c. 1200–1800, Berlin / Boston 2020. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 72 (2), 2022, S. 277-279. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00108>.

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